Wissenschaftlicher Hintergrund
Thrombozyten sind kleine, kernlose Zellen, die im Blutstroms zirkulieren und eine Schlüsselrolle bei der primären Hämostase (Blutstillung) spielen. Treffen Thrombozyten auf eine Gefäßverletzung, haften sie binnen kürzester Zeit an die verletzte Gefäßwand an, werden aktiviert und binden aneinander (Aggregation). Der so entstehende Pfropf (Thrombus) verschließt die Verletzung und beendet damit den Blutverlust. Unter pathophysiologischen Bedingungen, zum Beispiel in durch Atherosklerose krankhaft veränderten Gefäßen, kann Thrombusbildung jedoch zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Die Behandlung der Thrombozyten-abhängigen Thrombusbildung mit Medikamenten wie Aspirin® und Clopidogrel muss aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos gründlich überwacht werden.
Die „Thrombo-Inflammation“ ist ein neuer, grundlegender Pathomechanismus, der eng zusammenwirkende thrombotische und entzündliche Prozesse umfasst und in dramatischer Organschädigung resultieren kann. Am besten dokumentiert ist dies beim ischämischen Schlaganfall. Hier führt die Interaktion von Thrombozyten mit Immunzellen zu einer Entzündungsreaktion und dadurch zu einem schnellen Voranschreiten des Infarkts in weiten Arealen des Gehirns. Die Behandlung wird dadurch erschwert, dass dieser thrombo-inflammatorische Vorgang auch durch die Rekanalisation (das Wiederdurchgängigmachen) der zuvor thrombotisch verschlossenen Arterie nicht verhindert werden kann. Bedeutsamerweise ist die Funktion der Thrombozyten im Prozess der Thrombo-Inflammation grundlegend anders als in ihrer klassischen Rolle bei der Hämostase und die zugrundeliegenden Mechanismen sind bislang weitgehend unverstanden.
Um in Zukunft eine individualisierte anti-thrombo-inflammatorische Therapie zu ermöglichen, ist ein tieferes molekulares Verständnis der Thrombozytenfunktion bei unterschiedlichen relevanten Erkrankungen, aber auch in der „normalen“ Physiologie, notwendig. Das neu gegründete Translationsnetzwerk „Thrombo-Inflame“ bietet zu diesem Zweck eine Plattform für die Interaktion universitärer Forschungseinrichtungen mit lokalen, kleinen und mittelständischen Unternehmen, um den wissenschaftlichen Austausch in dem schnell wachsenden Bereich thrombo-inflammatorischer Krankheitsprozesse zu ermöglichen. Das Thrombo-Inflame Netzwerk hat es sich zur Aufgabe gemacht, so die Grundlagen für neue Entwicklungen im Bereich der Diagnose und Therapie thrombo-inflammatorischer Erkrankungen im Wissenschaftsraum Nordbayern zu schaffen.